Wie in jedem Jahr sind auch auf dem Gebiet des Mietrechts im Jahr 2019 zahlreiche Entscheidungen ergangen. Diese vollständig darzustellen ist nicht möglich. Die nachfolgende Zusammenstellung ist der Versuch, einen Überblick über wichtige und durchaus relevante Entscheidungen im Mietrecht zu geben. Die den Überschriften folgende Texte sind Leitsätze der Gerichte.
Hier eine erste Übersicht zu den Entscheidungen:
- Mietvertrag einer Gemeinde bzgl. eine Flüchtlingsunterkunft
- Gewerbemietrecht: Einstellung der Zwangsräumung wegen eines nicht zu ersetzenden Nachteils
- Wohnraummietrecht: 20 Jahre alter Mietspiegel ungeeignet für Mieterhöhungsbegehren
- Wohnraummietrecht: Abrechnung einer Kaution – auch durch schlüssiges Verhalten
- Wohnraummietrecht: Eigenbedarfskündigung-Hohes Alter und/ oder lange Mietdauer nicht per se ein Härtefall
- Wohnraummietrecht: Verweigert der Mieter die Mängelbeseitigung entfällt das Recht auf Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht
- Wohnraummiete: Mieterhöhung auf der Grundlage eines einfachen Mietspiegels
- Gewerbemiete: Eine rein verbrauchsabhängige Kostenverteilung ist möglich
Mietvertrag einer Gemeinde bzgl. eine Flüchtlingsunterkunft
- Ein Mietvertrag, den eine Gemeinde abgeschlossen hat, um in dem Mietobjekt ihr zugewiesene Flüchtlinge unterbringen zu können, ist unbeschadet seiner Bezeichnung kein Wohnraummietvertrag iSv § 549 Abs. 1 BGB (Fortführung von BGHZ 94, 11 = NJW 1985, 1772).
- Eine in diesem Vertrag enthaltene formularmäßige Klausel, mit der für beide Mietvertragsparteien das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Dau-er von 60Monaten ausgeschlossen wird, ist nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam.
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 -XII ZR 125/18 -LG SaarbrückenAG St. Wende
Gewerbemietrecht: Einstellung der Zwangsräumung wegen eines nicht zu ersetzenden Nachteils
… Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass die Verpflichtung zur Räumung für sich gesehen keinen "nicht zu ersetzenden Nachteil" im Sinne des §719 Abs.2 Satz1 ZPO darstellt, auch wenn die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 20.September 2017 -XIIZR76/17-NJW-RR 2017, 1355 Rn.5 mwN). …
BGH, Beschluss vom 16.10.2019, XII ZR 101/19
Wohnraummietrecht: 20 Jahre alter Mietspiegel ungeeignet für Mieterhöhungsbegehren
Ein 20 Jahre alter Mietspiegel ist mangels eines Informationsgehaltes für den Mieter zur Begründung eines Mieterhöhungsbegehrens ungeeignet. Ein auf diese Weise begründetes Mieterhöhungsverlangen ist deshalb aus formellen Gründen unwirksam.
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2019 -VIII ZR 340/18 -LG Magdeburg AG Magdeburg
Wohnraummietrecht: Abrechnung einer Kaution – auch durch schlüssiges Verhalten
- Ist dem Vermieter in einem Wohnraummietverhältnis eine Mietsicherheit gewährt worden, hat sich der Vermieter nach dem Ende des Mietverhältnisses innerhalb angemessener, nicht allgemein bestimmbarer Frist gegenüber dem Mieter zu erklären, ob und (gegebenenfalls) welche aus dem beendeten Mietverhältnis stammenden Ansprüche er gegen diesen erhebt (im Anschluss an Senatsurteil vom 18.Januar 2006 -VIIIZR 71/05, NJW 2006, 1422 Rn. 9 f.). Mit einer solchen Er-klärung wird die Mietsicherheit abgerechnet, da der Vermieter damit deutlich macht, ob und (gegebenenfalls) in Bezug auf welche Forderungen er ein Verwertungsinteresse an der gewährten Mietsicherheit hat.
- Eine als Mietsicherheit gewährte Barkaution kann auch durch schlüssiges Verhalten, etwa durch eine vom Vermieter erklärte Aufrechnung oder durch Klageerhebung abgerechnet werden. Hiermit bringt der Vermieter, der einen Vorbehalt, weitere Ansprüche geltend zu machen, nicht erklärt hat -gleichermaßen wie bei einer den Vorgaben des § 259 BGB genügenden Abrechnung – für den Mieter erkennbar zum Ausdruck, dass sich sein Verwertungsinteresse auf die in der Forderungsaufstellung bezeichneten beziehungsweise aufgerechneten oder klageweise geltend gemachten Forderungen beschränkt.
- Eine gewährte Barkaution wird mit dem Zugang der Abrechnung beim Mieter zur Rückzahlung fällig. Denn nach erfolgter Abrechnung kann sich der Vermieter - ohne weitere Schritte ergreifen zu müssen - wegen seiner nunmehr bestimmten und bezifferten Ansprüche aus der Barkaution befriedigen. Dies gilt auch für streitige Forderungen des Vermieters (noch offen gelassen im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 -VIII ZR 234/13, NJW 2014, 2496 Rn.13).
- Macht der Vermieter nach Abrechnung von seiner Verwertungsbefugnis keinen Gebrauch, kann der Mieter seinerseits mit dem fälligen Kautionsrückzahlungsanspruch gegen vom Vermieter erhobene Forderungen aufrechnen.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2019 -VIII ZR 141/17 -LG Lüneburg
Wohnraummietrecht: Eigenbedarfskündigung-Hohes Alter und/ oder lange Mietdauer nicht per se ein Härtefall
- Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses setzt nicht voraus, dass die auf Seiten des Mieters bestehende Härte die Interessen des Vermieters deutlich überwiegt. Maß-gebend ist allein, ob sich ein Übergewicht der Belange der Mieterseite feststellen lässt, also die Interessenabwägung zu einem klaren Ergebnis führt.
- Da sich ein hohes Alter eines Mieters und/oder eine lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden langjährigen Verwurzelung im bisherigen Umfeld je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie
psychischer Verfassung des Mieters unter-schiedlich stark auswirken können, rechtfertigen diese Umstände ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen im Falle eines
erzwungenen Wohnungswechsels grundsätzlich noch keine Härte im Sinne des § 574 Abs.1Satz1 BGB.
Kommen zu diesen Umständen Erkrankungen hinzu (hier Demenz gemischter Genese), aufgrund derer beim Mieter im Falle seines Herauslösens aus seiner näheren Umgebung eine -nach ihrem Grad nicht näher festgestellte -Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands zu erwarten steht, kann dies in der Gesamtschau zu einer Härte führen. Wenn der gesundheitliche Zustand des Mieters einen Umzug nicht zulässt oder im Falle eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters besteht, kann sogar allein dies einen Härtegrund darstellen (Bestätigung von Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 -VIII ZR 57/13, NJW-RR 2014, 78 Rn. 20)
Urteil des BGH vom 22.5.2019, VIII ZR 180/18
Wohnraummietrecht: Verweigert der Mieter die Mängelbeseitigung entfällt das recht auf Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht
… Weigert sich der Mieter, die Beseitigung von Mängeln durch den Vermieter, dessen Mitarbeiter oder von ihm beauftragte Handwerker zu dulden, ist er ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich zu einer weiteren Minderung nicht mehr berechtigt und entfällt ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht in der Weise, dass einbehaltene Beträge sofort nachzuzahlen sind und von den ab diesem Zeit-punkt fälligen Mieten ein Einbehalt nicht mehr zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter die Mangelbeseitigung unter Berufung darauf verweigert, dass er im Hinblick auf einen anhängigen Rechtsstreit über rückständige Miete (hier: Prozess mit dem Rechtsvorgänger des Vermieters) den bestehenden mangelhaften Zustand aus Gründen der "Beweissicherung" erhalten will.
BGH, Urteil vom 10. April 2019 -VIII ZR 12/18 -LG Dresden AG Dresden
Wohnraummiete: Mieterhöhung auf der Grundlage eines einfachen Mietspiegels
… Als Grundlage einer tatrichterlichen Überzeugungsbildung hat es den nach seinen verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht die Voraus-setzungen eines qualifizierten Mietspiegels nach§ 558d Abs. 1 BGB erfüllen-den, sondern im Sinne des § 558c Abs. 1 BGB einfachen Dresdner Mietspiegel 2015 herangezogen. Obwohl diesem nicht die in § 558d Abs. 3 BGB dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung zukommt, stellt er ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Es hängt dann von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Mietspiegel für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete einer konkret zu beurteilenden Wohnung ausreicht. Maßgebend für die Reichweite der Indizwirkung sind dabei insbesondere die Qualität des (einfachen) Mietspiegels und die Einwendungen der Parteien gegen den Er-kenntniswert der darin enthaltenen Angaben (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 2010 -VIII ZR 99/09, aaORn. 12 f.; vom 21. November 2012 -VIII ZR 46/12, aaO Rn. 16; vom 3. Juli 2013 -VIII ZR 269/12, juris Rn. 32) …
BGH, Urteil vom 13.2.2019, VIII ZR 245717
Gewerbemiete: Eine rein verbrauchsabhängige Kostenverteilung ist möglich
- Nach §10 HeizkostenV können in einem Mietvertrag über Gewerberäume auch rein verbrauchsabhängige Kostenverteilungen vereinbart werden.
- Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur bei einem Vertrag in Be-tracht, der wegen einer planwidrigen Unvollständigkeit eine Regelungslücke aufweist (im Anschluss an Senatsurteil vom 15.Oktober 2014 -XIIZR111/12-WM 2014, 2280).
BGH, Urteil vom 30. Januar 2019 -XII ZR 46/18 -OLG Frankfurt am MainLG Frankfurt am Main