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Entscheidungen im Familienrecht im Jahr 2019


Wie in jedem Jahr sind auch auf dem Gebiet des Familienrechts im Jahr 2019 zahlreiche Entscheidungen ergangen. Diese vollständig darzustellen ist nicht möglich. Die nachfolgende Zusammenstellung ist der Versuch, einen Überblick über wichtige und durchaus relevante Entscheidungen im Familienrecht zu geben. Die den Überschriften folgende Texte sind i.d.R. Leitsätze der Gerichte. 


Hier eine erste Übersicht zu den Entscheidungen:

  • Unterhalt nach der Quotenmethode
  • Verfahrenskostenhilfe: Veränderte Verhältnisse in der Beschwerdeinstanz
  • Verfahrenspfleger für eine Partei
  • Anspruch auf Herausgabe eines Reisepasses für das Kind
  • Gewöhnlicher Aufenthalt eines im Rahmen einer Leihmutterschaft im Ausland geborenen Kindes
  • Grundsätze der Ermittlung der Leistungsfähigkeit, wenn beide Ehegatten jeweils ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind
  • Anwendbarkeit des Liquidationswertes
  • Einstellung von Verbindlichkeiten in die Zugewinnbilanz
  • Bindungswirkung der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei angestrebtem Wechselmodell
  • Abänderung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
  • Keine Herausgabe der in der Ehezeit erworbenen Hunde
  • Verfügungen der Eltern über für Kind angelegtes Sparkonto
  • Rückforderung einer Schenkung der Eltern gegenüber Partner des Kindes
  • Keine Nutzungsentschädigung nach Auszug eines Ehegatten für mietfrei von Schwiegereltern zur Verfügung gestellter Wohnung
  • Keine Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei Rückforderungsanspruch

Unterhalt nach der Quotenmethode


  1. Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (im Anschluss an BGHZ 217, 24 = FamRZ 2018, 260).
  2. Als Familieneinkommen in diesem Sinn ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist.
  3. Die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten ist ausnahmsweise für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs des früheren Ehegatten zu berücksichtigen, soweit sie - etwa als Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l BGB - bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 und Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 258/13 - FamRZ 2014, 1183).
  4. Jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.

BGH, Urteil vom 25.09.2019 - XII ZB 25/19

 

 

Verfahrenskostenhilfe: Veränderte Verhältnisse in der Beschwerdeinstanz


Begehrt der Rechtsmittelführer Verfahrenskostenhilfe, muss er in der Beschwerdeinstanz mit der Ablehnung des Verfahrenskostenhilfegesuchs wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen, wenn sich nach der erstinstanzlichen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wesentliche Änderungen ergeben haben (Fortführung von BGH Beschluss vom 14. Mai 2013 - II ZB 22/11 - juris).

 

BGH, Beschluss vom 11.09.2019 - XII ZB 120/19

 

 

Verfahrenspfleger für eine Partei


  1. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019 - XII ZB 51/19 - juris).
  2. Dass ein Betreuungsbedarf für das erkennende Gericht offensichtlich ist, steht als solches der Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht entgegen.

BGH, Beschluss vom 11.09.2019 - XII ZB 537/18

 

 

Anspruch auf Herausgabe eines Reisepasses für das Kind


  1. Der personensorgeberechtigte Elternteil hat wie auch der umgangsberechtigte Elternteil in entsprechender Anwendung der §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Kinderreisepasses.
  2. Der Herausgabeanspruch besteht nur insoweit, als der berechtigte Elternteil für die Ausübung seines Rechts den Kinderreisepass benötigt.
  3. Die berechtigte Besorgnis, dass der die Herausgabe begehrende Elternteil mit Hilfe des Kinderreisepasses seine elterlichen Befugnisse überschreiten (etwa das Kind ins Ausland entführen) will, kann dem Herausgabeanspruch entgegenstehen.

BGH, Beschluss vom 27.03.2019 - XII ZB 345/18

 

 

Gewöhnlicher Aufenthalt eines im Rahmen einer Leihmutterschaft im Ausland geborenen Kindes


Der gewöhnliche Aufenthalt eines im Ausland (hier: in der Ukraine) von einer Leihmutter geborenen Kindes, das entsprechend dem übereinstimmenden Willen aller an der Leihmutterschaft beteiligten Personen alsbald nach der Geburt rechtmäßig nach Deutschland verbracht wird, ist in Deutschland. Ein vorheriger gewöhnlicher Aufenthalt im Geburtsland bestand dann nicht.

 

BGH, Beschluss vom 20.03.2019 - XII ZB 530/17

 

 

Grundsätze der Ermittlung der Leistungsfähigkeit, wenn beide Ehegatten jeweils ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind


  1. Zur Anrechnung eines Rückforderungsanspruchs nach § 528 Abs. 1 BGB im Rahmen der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. Februar 2019 - XII ZB 364/18 - zur Veröffentlichung bestimmt).
  2. Die Grundsätze zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit von verheirateten Kindern für den Elternunterhalt gelten auch dann, wenn beide Ehegatten ihren jeweiligen Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535 und Senatsbeschluss BGHZ 200, 157 = FamRZ 2014, 538).

BGH, Urteil vom 20.03.2019 - XII ZB 365/18

 

 

Anwendbarkeit des Liquidationswertes


  1. Der Liquidationswert (Zerschlagungswert) gilt in der Regel als unterste Grenze des Unternehmenswerts.
  2. Der Ansatz des Liquidationswerts kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn das Unternehmen zur Mobilisierung des Vermögens "versilbert" werden muss, um den Zugewinnausgleich zahlen zu können, oder wenn dem Unternehmen wegen schlechter Ertragslage oder aus sonstigen Gründen keine günstige Fortführungsprognose gestellt werden kann.
  3. Will der Schuldner die Fortführung schwebender Vergleichsverhandlungen verweigern, muss er diese Verweigerung wegen der verjährungsrechtlichen Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch ein klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck bringen (im Anschluss an BGH Urteile vom 8.November 2016 - VI ZR 594/15 - NJW 2017, 949 und vom 17. Februar 2004 - VI ZR 429/02 - NJW 2004, 1654).

BGH, Urteil vom 05.12.2018 - XII ZR 116/17

 

 

Einstellung von Verbindlichkeiten in die Zugewinnbilanz


  1. Geht ein Ehegatte vor Eheschließung zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie durch den anderen Ehegatten neben diesem eine gesamtschuldnerische Darlehensverpflichtung ein, so ist bei Bewertung der Verbindlichkeit auch im Anfangsvermögen im Zweifel davon auszugehen, dass diese im Innenverhältnis allein vom Eigentümer des Grundstücks zu tragen ist (Fortführung von BGHZ 87, 265 = FamRZ 1983, 795, und Senatsbeschluss v. 20.5.2015 - XII ZB 314/14 -, FamRZ 2015, 1272 [m. Anm. Koch] {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}).
  2. Im Anfangs-und Endvermögen des Eigentümers sind in diesem Fall zum jeweiligen Stichtag einheitlich der Grundstückswert als Aktivposten und die volle noch offene Darlehensvaluta als Passivposten einzustellen.
  3. Die familienrechtliche Überlagerung des Innenverhältnisses der Ehegatten betrifft vornehmlich die Zahlung der laufenden Kreditraten und deren - regelmäßig ausgeschlossenen - gesonderten Ausgleich. Dagegen wirkt sie sich auf die Beteiligungsquote an der noch zur Rückzahlung offenen Kreditvaluta grundsätzlich nicht aus.

BGH, Beschluss v. 6.11.2019 – XII ZB 311/18

 

 

Bindungswirkung der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei angestrebtem Wechselmodell


  1. Die gerichtliche Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil hat keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage, ob ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen ist (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532).
  2. Die Entscheidung zum Umgang richtet sich in diesem Fall als Erstentscheidung nach §§ 1684, 1697a BGB und unterliegt nicht den einschränkenden Voraussetzungen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 1696 I BGB.
  3. Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses begehrende Elternteil es an der notwendigen Loyalität gegenüber dem anderen Elternteilfehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden Elternteil beeinflusst ist

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 27.11.2019 – XII ZB 512/18

 

 

Abänderung des Aufenthaltsbestimmungsrechts


Die Abänderung einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist trotz eines auf den Wechsel in den Haushalt des anderen Elternteils gerichteten Kindeswillens nicht gerechtfertigt, wenn der Kindeswille nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegenstehen.

 

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 27.11.2019 – XII ZB 511/18

 

 

Keine Herausgabe der in der Ehezeit erworbenen Hunde


Amtsgericht München, Beschluss v. 2.1.2019 - 523 F 9430/18

 

 

Verfügungen der Eltern über für Kind angelegtes Sparkonto


  1. Kontoinhaber eines Sparkontos ist derjenige, der nach dem erkennbaren Willen des das Konto eröffnenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll (Anschluss an BGH, Urteile v. 25.4.2005 – II ZR 103/03 -, FamRZ 2005, 1168, und v. 2.2.1994 – IV ZR 51/93 -, FamRZ 1994, 625).
  2. Daraus, dass die Eltern ein auf den Namen ihres minderjährigen Kindes angelegtes Sparbuch nicht aus der Hand geben, lässt sich nicht typischerweise schließen, dass sie sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten wollen (Abgrenzung zu BGH, Urteile v. 18.1.2005 – X ZR 264/02 -, FamRZ 2005, 510 [m. Anm. Ewers, S. 967], und BGHZ 46, 198 = FamRZ 1967, 37).
  3. Für die Frage, ob einem Kind Ansprüche gegen seine Eltern wegen von diesen vorgenommenen Verfügungen über ein Sparguthaben zustehen, ist das Innenverhältnis zwischen Kind und Eltern maßgeblich; der rechtlichen Beziehung zur Bank kommt insoweit nur indizielle Bedeutung zu.

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 17.7.2019 – XII ZB 425/18

 

 

Rückforderung einer Schenkung der Eltern gegenüber Partner des Kindes


Schenken Eltern ihrem Kind und dessen Lebenspartner Geld zur Finanzierung einer gemeinsamen Immobilie, muss der Partner gegebenenfalls nach einer Trennung die Hälfte davon an die Schenker zurückzahlen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beziehung nur kurze Zeit nach der Schenkung beendet wird, da dies den Wegfall der Geschäftsgrundlage der Schenkung zur Folge haben kann, so der BGH in seiner Entscheidung vom 18.6.2019 (Az.: X ZR 107/16).

 

Bundesgerichtshof, Urteil v. 18.6.2019 – X ZR 107/16

 

 

Keine Nutzungsentschädigung nach Auszug eines Ehegatten für mietfrei von Schwiegereltern zur Verfügung gestellter Wohnung


Wird die Ehewohnung von den Schwiegereltern mietfrei zur Verfügung gestellt, so kann das aus der Ehewohnung ausgezogene Schwiegerkind von dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten grundsätzlich keine Nutzungsentschädigung verlangen.

 

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss v. 10.1.2019 – 20 UF 141/18

 

 

Keine Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei Rückforderungsanspruch


Verschenkt der zum Elternunterhalt Verpflichtete eine selbst genutzte, unterhaltsrechtlich als Vermögen nicht einsetzbare Eigentumswohnung und behält er sich daran einen lebenslangen Nießbrauch vor, so kann sich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht durch einen Rückforderungsanspruch nach §528 I BGB erhöhen.

 

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 20.2.2019 – XII ZB 364/18